Wie leben wir und auf wessen Kosten? Wer zahlt den Preis von Luxus und Wachstum? Und wo bleibt die persönliche Möglichkeit einer Wahl oder eines Eingriffs, wo die Chance auf Veränderung?
Genau diese Fragen stehen im Mittelpunk beim Sommerfestival Marstallplan. Junge Regisseure wurden wieder eingeladen, um unter diesem Kontext in kurzer Zeit bekannte Theaterstücke zu inszenieren. Die Voraussetzung fordern alle Beteiligten, da lediglich zwei bis drei Wochen Probezeit, geringe Auf- und Abbauzeiten und knappes Budget vorhanden sind. Eines der Ergebnisse bekommt ihr heute Abend zu sehen, nämlich „Das Nest“ von Franz Xaver Kroetz:
Ein Kind ist teuer. Besonders wenn man ihm bieten möchte, was die anderen haben. Doch Kurt ist immerhin Lastwagenfahrer, und er und seine Freundin Martha sparen, wo sie können. Nach der Geburt ihres Sohnes gerät Kurt jedoch zusehends unter finanziellen Druck: Kapital wird ihm zum Maßstab seiner Qualität als Vater und Partner. So begrüßt er jede Überstunde, stürzt sich folgsam und ergeben in die Arbeit und genießt das Vertrauen seines Chefs, ohne zu merken, wie dieser seine Abhängigkeit missbraucht. Erst als er durch einen „Spezialauftrag“ seinen Sohn in Lebensgefahr gebracht hat, beginnt Kurt die natürliche Ordnung, an die er so fest geglaubt hatte, zu hinterfragen. Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will? Kroetz führt in seinem Volksstück, mit dem er 1976 den Mülheimer Dramatikerpreis gewann, seinem Protagonisten die fatalen Konsequenzen einer Unmündigkeit vor Augen, die nicht nur einer kapitalistischen Gesellschaftsstruktur, sondern ebenso ihrer allzu bereitwilligen Akzeptanz verschuldet ist. Am Ende steht Kurt vor einer Wahl, die in diesem System auf zynische Weise obsolet geworden scheint: Denn selbst wenn er bei der Polizei für seine Tat einsteht, riskiert er damit mehr zu verlieren als zu gewinnen.
Spannendes Projekt mit viel Inhalt. Hingehen!