Was wäre das Jahresende ohne die obligatorischen Jahrescharts. Die allerdings meistens richtig schlecht sind. Außer: Ihr gebt euch die Jahrescharts von M94.5 heute Abend in der Kranhalle. Denn hier werden die 20 beliebtesten Songs des Münchner Radiosenders gekürt, der über eines sicherlich verfügt: Sehr viel Musikgeschmack. Und weil Musik live immer noch am besten ist, sind auch in diesem Jahr wieder ordentlich Live-Acts am Start:
Die Sauna [Muc]
„Sag mir was hast du schon zu verlieren?“, fragen die Herren von der Münchner Indie-Rock Band die Sauna in ihrer ersten Single „Du gehst unter zwischen Worten“. Ein erfrischender Schlag auf den medialen Stammtisch, der zwischen all den Kulturdebatten und dem endlosen Gezeter um eine Münchner-Szene in einer scheinbar kulturphoben Stadt vergessen hat, worum es wirklich geht: die Musik an sich. Schnörkelloser Gitarren-Rock mit leichtem Post-Punk Touch und starken Texten. So eine Band hat diese Stadt lange nicht gesehen!
Leoniden [Kiel]
Leoniden treten mit dem Auftakt ihres Stückes »1990« die Tür ein, meint man, doch: sie legen eine falsche Fährte. Ein angeschlagenes Rockriff, eine Kuhglocke und man assoziiert die frühen Beastie Boys oder Run DMC in Liaison mit Aeromsmith – doch dieser Eindruck währt nicht lange. Leoniden, namentlich die Brüder Lennart und Felix Eicke, Jakob Amr, Djamin Izadi und JP Neumann, wechseln gekonnt in filigranes Indierock-Getänzel, schaffen einen sehnsüchtigen Hybrid aus Ausbruch und schwelgerischen Umdrehungen. Irgendwie befinden wir uns also sehr wohl im Jahre 1990, wie der Titel nahelegt, aber dann – und dieser Fährte folgen die fünf Freunde auch weiter – öffnen sie sich einem viel größeren Horizont. Spätestens wenn in »Storm«, einem elektrischen Tanzhit für gleich mehrere potentielle Floors im Club, auch noch ein Chor die Hook übernimmt, man sich fast beflügelt fühlt, in diese kollektive Dancefloor-Wir einzustimmen, wird eines vollkommen klar: Leoniden, das ist vor allem Musik, die Spaß macht, unbeschwert ist, kein Morgen kennt, sich in der Nacht genügt. Oder sagen wir: eine Einladung für ein paar Songs alles andere zu vergessen? (Hendrik Otremba)
der Ringer [Hamburg]
Der Ringer aus Hamburg spielten dieses Jahr gefeierte Supportshows für Bands wie die Oracles oder Isolation Berlin. Mit zweiteren haben sie erst im November die gemeinsame EP „Ich gehör nur mir allein“ bei Staatsakt veröffentlicht. Die eigene EP „Glücklich“ ist eine glitchy klingende Momentaufnahme im musikalischen Referenznetzwerk von 80er-Jahre Bands wie Grauzone, The Cure in ihrer Disintegration-Phase und heutigen Cut-Up-Sound-Künstlern wie Oneothtrix Point Never. Der Ringer selbst nennen es Soft Punk, ein Amalgam aus vernebelten Synthesizer-Melodien und unaufgeregtem Gitarren-Spiel, das den Zeitgeist in einen schlaftrunkenen, Traum-haften Sound bannt, der nach den letzten Zügen einer durchwachten Nacht klingt. Der Ringer, diese verwirrten und zugleich klarsichtigen Gegenwarts-Erkenner, gehören gehört — von jedem.
Mittekill [Berlin]
Friedrich „Mittekill“ Greiling ist zurück von hoher See, schleppt die Kiste an Land und teilt ordentlich aus. Seit Jahren bereist der Themen-Schlepper konsequent die musikalischen Weltmeere, um die letzten Schätze zu bergen. Das Meiste ist leer gefischt. Freuen Sie sich also über jeden Schuh, der ein Paar ergibt. Der stilistische Fahrplan ist offener denn je, weil der polarisierende Stern hoch am zeitgeistigen Himmel steht.Der rein elektronische Klang zu 120 BPM ist in Teilen verschwunden: Drei-Euro-Oper, Sprachkurs-Electro und Heulsusen-Rap sind unser neuer Techno.Der thematische Faden, der sich durch das vierte Album zieht, atmet eine rote Fahne.„Die Montierte Gesellschaft ist ein humorvolles, groovendes, urbanes Monster, ja eine rollende, offene Werkstatt, in der die gerade so Angst-besetzten Themenkomplexe unserer Gesellschaft mit einer wunderbaren Leichtigkeit zu kleinen Pophits verarbeitet wurden.“ (Maurice Summen) Der soziale, mediale und politische Stress der Zeit rüttelt, fordert und lässt nicht locker – die Frage nach Wasser oder Wodka war früher. Heute ist gewiss: die Welt ist besoffen.
Wow wow wow, so lassen wir uns eine Jahresabschlussfeier aber eingehen. Ihr auch? Dann hin da…