Ab heute ist es wieder soweit: Die Roten Teppiche werden vor den Münchner Kinos ausgerollt, die Leinwände werden bis zum Anschlag bespielt und zwischen den Sonnenanbetern an der Isar und in den Biergärten entdeckt man große und kleine Filmemacher, die dort die Seele baumeln lassen. Es ist Filmfest München Zeit.
Insgesamt elf Kinos in der ganzen Stadt stehen zehn Tage lang ganz im Zeichen des Festivals. Dann gibt es hunderte von Filmen aus aller Welt zu sehen – vom koreanischen Indie bis zum Hollywood-Blockbuster.
Ein paar Highlights: „Breaking Bad“-Star Bryan Cranston kommt, um seinen neuen Film „Wakefield“ zu präsentieren; Regisseurin Sofia Coppola („Virgin Suicides“, „Lost in Translation“, „Marie Antoinette“…) wird mit einer Retrospektive geehrt und wird ebenfalls vor Ort sein um ein bisschen über ihre Filme zu plauschen; unser allerliebstes Gesangstalent aus „Tatsächlich Liebe“, Bill Nighy, präsentiert den Abschlussfilm „Ihre beste Stunde“. Überall könnt ihr mit einem einfachen Kinoticket dabei sein.
Auch in diesem Jahr gibt es ein großes Drumherum: Q&As mit den Filmemachern nach fast jeder Vorstellung, ein kostenloses Open Air mit Konzertfilmen, Partys, Fachveranstaltungen und „Filmmakers Live“ Gespräche im Gasteig, bei denen ihr die Filmemacher besser kennenlernen könnt. Die Tickets für „Filmmakers Live“ sind kostenlos und gerade bei großen Namen (wie eben Cranston oder Coppola) schnell vergriffen. Flott sein lohnt sich also.
Sofia Glasl besucht für das Filmfest München beruflich Filmfestivals in aller Welt und versucht dort mit allerlei Handelsgeschick die besten Filme für München abzuwerben. Wir haben ihr ein paar Fragen zum aktuellen Programm gestellt:
Empfiehlst du uns einen kleinen, feinen Lieblingsfilm, der auf keinen Fall in der Masse untergehen darf? Und einen Film, den du unbedingt selbst noch auf dem Festival sehen willst?
Spielfilmempfehlung: Klein und ruhig, aber sehr fein: COLUMBUS von Kogonada – eine sehr zurückhaltende aber schlau gebaute und arg schön fotografierte Indie-Romanze mit John Cho (Mr. Sulu aus STAR TREK und Harold aus HAROLD AND KUMAR) und Haley Lu Richardson (THE EDGE OF SEVENTEEN und SPLIT), in der sich aus einer unwahrscheinlichen Begegnung und Zweckgemeinschaft eine ungewöhnliche Freundschaft entwickelt: Casey ist Highshoolabsolventin, die in ihrer Heimatstadt Columbus mit ihrer suchtkranken Mutter festsitzt, und Jin ein erfolgreicher Businessmann, der nach vielen Jahren in die Stadt zurückkehrt, weil sein Vater, ein berühmter Architekt, im Sterben liegt. Auf zahlreichen Spaziergängen zeigen die beiden einander die Lieblingsgebäude in der Stadt und lernen so viel über ihr Gegenüber und sich selbst. Selten ist Architektur so schön und klug inszeniert worden, selten lernt man als Zuschauer die Figuren eines Films so gut kennen und möchte gerne mit ihnen spazierengehen.
Dokumentarfilmempfehlung: 78/52 von Alexandre O. Philippe – ein Dokumentarfilm über die Duschszene in Psycho. Das klingt wie ein langweiliger Filmgeschichtsessay, ist aber einer der unterhaltsamsten und lehrreichsten Dokumentarfilme seit langem. Auch wenn sich schon ganze Filmhistorikergenerationen die Finger wund geschrieben haben, findet dieser Film einen sehr schönen eigenen Zugang und lässt Filmemacher, Kameraleute und Sounddesigner erklären, welche Bedeutung die Szene für ihre eigene Karriere hat und welche Auswirkungen sie auf ein ganzes Genre hatte. Absolut sehenswert!
Besonders freu ich mich auf den neuen Film von Lola Randl: FÜHLEN SIE SICH MANCHMAL AUSGEBRANNT UND LEER?, weil die Prämisse, sich einen Doppelgänger zu schaffen, der die ganze Scheißarbeit für einen macht auch im Film zwar nicht neu ist, aber Potenzial für tragikomische und zugleich übedreht-philosophische Momente hat. Ich hoffe sehr, dass ichs während des Festivals ins Kino schaffe, aber das ist ja meistens schwierig, wenn man selbst auf dem Festival arbeitet. Daumen drücken!
Welche Festivals hast du in Vorbereitung für das Filmfest München besucht und wo konntest du die größte Filmausbeute machen?
Ich war in Toronto, auf dem New York Filmfestival, in Sundance, in Göteborg, in Berlin, auf dem SXSW in Austin und in Cannes. Ich hab nicht nachgezählt, aber die größte Ausbeute habe ich glaub ich sowohl letztes als auch dieses Jahr in Austin und Sundance gemacht. In Austin kann man noch richtige Entdeckungen machen, kleine Filme finden, die es in Europa eher nicht ins Kino schaffen – da hab ich zum Beispiel FITS AND STARTS von Laura Terruso gefunden, eine hübsche, leicht satirische Komödie über die Literatur- und Kunstszene. In Sundance laufen ja eher „größere“ Indies, also Filme, die dann auch von großen Weltvertrieben und Verleihen gekauft werden – da habe ich zum Beispiel WILSON, BRIGSBY BEAR und THE BIG SICK gesehen und gleich nach Haus‘ telefoniert, um alles in Bewegung zu setzen, damit wir die Filme bekommen. Aber auch GOOK hab ich in Sundance gesehen und direkt eingeladen und da freu ich mich besonders, dass wir den Film auch in der Internationalen Premiere zeigen können und ich ihn im CineVision Wettbewerb für junge Regie unterbringen konnte. (Hier ein kleines Schmankerl für die heimlichen oder nicht so heimlichen TWILIGHT-Fans: Justin Chon hat bei GOOK Regie geführt und spielt die Hauptrolle – in TWILIGHT war er Bella Swans Kumpel Eric).
Was war für dich die größte Überraschung in Sachen Film in der Saison 16/17?
Oh, das ist schwer zu sagen, weil ich ja so immens viele Filme fürs Festival sichte. Aber wen man auf alle Fälle im Auge behalten sollte, sind die Finnen: Letztes Jahr hatten wir ja den wunderbaren DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI von Juho Kuosmanen im Programm und dieses Jahr zeigen wir TOM OF FINLAND – ein großartiges Bio-Pic über den Künstler Tom of Finland, der mit seinen homoerotischen Zeichnungen in den Fünfzigerjahren in den USA auf einen Schlag berühmt wurde, in seiner Heimat aber noch für seine Homosexualität verfolgt wurde. Der Film wird bestimmt ein Riesen-Hit und ich freu mich auf die Premiere mit dem Regisseur Dome Karukoski.
Was ist dein bester Tipp, um in der Festivalwoche so viel wie möglich mitzunehmen?
Möglichst viel Koffein, möglichst wenig Schlaf, haha. Aber im Ernst: Wer viel mitbekommen will, sollte eine gute Mischung aus Filmegucken und Leute treffen hinbekommen. Die Filmmakers Live sind immer eine feine Möglichkeit, Stars zu sehen, da freu ich mich dieses Jahr besonders auf Bryan Cranston und Sofia Coppola. Ein Blick in unseren Partykalender rentiert sich auch – da wird das cultureclubbing am Festival-Donnerstag ein Highlight: Zuerst gucken wir alle gemeinsam den fabelhaften MR. ROOSEVELT von und mit Noel Wells, die auch selbst zu Gast sein wird, und im Anschluss gehts in die Milla zur After Show Party.
Das gesamte Festivalprogramm gibt es hier, Tickets können ab dem 12. Juni direkt über die Filmfest-Website gekauft werden.